Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz

Eine Schulfahrt nach Auschwitz? Puh…. Das klang für mich zunächst nach einer Mischung aus euphorischen Gemeinschaftsmomenten und extremen emotionalen Strapazen. Zumindest lösten die beiden Begriffe „Schulfahrt“ und „Auschwitz“ genau diese Gedanken bei mir aus, insbesondere auch die Frage, ob ich es überhaupt schaffen würde, Euphorie zu empfinden, wenn ich auf der anderen Seite mit solch grausamen Eindrücken konfrontiert werden würde.

Im Nachhinein betrachtet, beschreiben Wörter wie „Schulfahrt“ oder „Exkursion“ die Reise nicht gut oder vielleicht nicht ausreichend, denn die Eindrücke lassen sich für mich nicht mit anderen Klassenfahrten vergleichen und erst recht nicht mit Ausflügen in Ausstellungen oder Museen. Doch rational betrachtet begannen wir jeden Tag genau so, mit einen Ausflug von unserem kleinen Hostel in Krakau. Wenn wir auf dem Weg zum Bahnhof durch die Stadt schlenderten und zum Teil auch auf der Busfahrt waren wir mental noch gar nicht darauf eingestellt, was uns dort erwarten würde, dort hinter dem von Touristen überströmten Platz, kurz vor dem Eingang zum einst größten Konzentrations- und Vernichtungslager.

Als ich durch diesen Eingang trat und mir versuchte, bewusst zu werden, was an diesem Ort vor 80 Jahren passiert ist, war mein Kopf überfordert. Angst, Wut, Trauer, Fassungslosigkeit wurden von mir versucht zu verarbeiten, doch zu viele und vor allem zu intensive Eindrücke registrierte ich mit jedem Moment, den ich an diesem Ort verbrachte. Es waren Eindrücke, die für mich mit Worten schwierig, wenn nicht gar unmöglich zu beschreiben sind. Das Leid, welches Menschen an diesen Ort angetan wurde, ist unbeschreiblich, zu groß und zu wahnsinnig, um es in einer Gedenkstätte vermitteln zu können. Als ich jedoch durch die Häuser, über die Wege, die Schienen und durch die Türen der Gedenkstätte trat, reichten die Eindrücke dennoch aus, um mich zu überfordern. Es war jedoch keine Überforderung, so dass ich nicht weiter aufnahmefähig gewesen wäre, vielmehr sprangen meine Gedanken von einem Bild zum nächsten, von einem Stein, die Wege entlang, zum nächsten Eingang eines Hauses, immer geleitet von den Tour-Guides, die uns die Orte erklärten und mit Zahlen ergänzten.

Der Versuch, die Anzahl an Menschen, die hier versklavt, die hier gefoltert wurden und die hier zugrunde gingen, anhand von Zahlen zu beschreiben, waren mir zu abstrakt. Ich – der bisher die meiste andere Zeit im Mathe- und Physik-Leistungskurs mit Zahlen um sich schmiss, der die Aufgaben versuchte, in Zahlen zu konstruieren, um danach die Lösung wieder in Worte umzuwandeln – war nicht in der Lage, in diesem Kontext mir die Größe der Zahlen vorzustellen. Die Größe der Zahlen war mir zu unfassbar. Schlimmer noch waren jedoch die Fundstücke, welche noch erhalten hinter den Glaswänden lagen: Koffer, die sich bis zur Decke stapelten oder Räume komplett ausgefüllt mit Schuhen.

Alle, denen Zahlen doch eine bessere Orientierung bieten, können sich auf der Webseite des Museums in Auschwitz einen Überblick über die Fundstücke verschaffen. Doch die Zahlen und Bilder einzelner Fundstücke haben nicht die gleiche Wirkung, wie durch die Räume und über das Gelände dort zu laufen. Ich würde allen Menschen empfehlen, die Reise auf sich zu nehmen und diesen Ort zu besuchen, auch wenn meine Schilderung unserer Reise deutlich macht, dass es eine große emotionale Herausforderung ist.

Es ist zu beachten, dass wir auf unserer Reise nicht den ganzen Tag in den Gedenkstätten verbrachten. Nach den abgeschlossenen Touren konnten wir zusammen in der Gruppe die aufgestauten Gedanken bereden und vor allem auch auf der Busfahrt zurück zum Hostel ein wenig abschalten. Nicht nur das Nachdenken über die angeschnittenen Themen, die während der Tour allzu schnell von den nächsten Eindrücken verdrängt wurden, schaffte Distanz zu den historischen Geschehnissen, sondern auch die geografische Distanz, welche der Bus zurücklegtet hatte, wirkte auf mich erleichternd. Immerhin lagen Krakau und Auschwitz über eine Stunde Busfahrt auseinander.

Euphorische Gemeinschaftsmomente? Auf jeden Fall! Die empfand ich vor allem beim Straßen erkunden und durch Krakau laufen, durch die Musik welche, das Kochen begleitete, während des gemeinsamen Einkaufens im Supermarkt oder den abendlichen Spiele-Runden. All das war, neben den Besuchen der Gedenkstätten, ebenso Teil dieser Tage.

Ich bin sehr glücklich, in diesem Rahmen dort gewesen sein zu dürfen. Das liegt – neben den gewonnen Erfahrungen – insbesondere an den Menschen, mit denen ich diese Gedenkstättenfahrt bestreiten konnte und an der schönen An- und Abreise. In diesem Zusammenhang möchte ich mich noch bei den betreuenden Lehrkräften Herrn Ullrich und Herrn Reiter sowie der Courage AG für die Planung der Fahrt bedanken.

Das Angebot dieser Gedenkstättenfahrt wird hoffentlich weiterhin am Andreas Gymnasium verfügbar sein und ich rate allen Schüler:innen des Andreas Gymnasiums selbiges zu nutzen.

Jonas Iwen (Q4)