Stolpersteine putzen

Siegbert Kasriel lebte mit seiner Familie in der Müncheberger Straße 22 im Friedrichshain und ging auf das Andreas-Gymnasium. Sein Vater arbeitete als Kaufmann, starb jedoch früh (vermutlich 1934). Seine Mutter war Schneiderin, auch Siegbert und seine Schwester Dorothea lernten diesen Beruf.

Unterdrückt
Wie alle Berliner*innen, die als Juden und Jüdinnen verfolgt wurden, war die Familie den immer drastischeren antisemitischen Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes ausgesetzt. Ihr Alltag war also zunehmend von Sorge und Angst geprägt und sicherlich mussten sie Zwangsarbeit leisten.

Abgetaucht
Aus der Autobiografie „Der Passfälscher“ von Cioma Schönhaus wissen wir, dass Siegbert mit Cioma Schönhaus befreundet war und von allen „Det“ genannt wurde. Er verdiente als talentierter Schneider seinen Lebensunterhalt. Um 1942 war er in der Firma Wysocky angestellt, wo er die Mutter Schönhaus´ und später Cioma selbst kennenlernte. Schon früh muss Siegbert geäußert haben, unterzutauchen, sollte der Deportationsbefehl kommen. Als auch Cioma Schönhaus im Juni 1942 untertauchte, beschlossen die beiden jungen Männer, dass Siegbert zu Cioma in die Münzstraße 11 in die versiegelte Wohnung von Schönhaus‘ Eltern ziehen sollte, die schon deportiert worden waren. Im Zusammenleben stellte sich Siegbert als guter Koch heraus. Seine gute Beziehungen zu den Marktfrauen, denen er Kleider schneiderte, die sie schlanker aussehen ließen, waren in der Lebensmittelbeschaffung hilfreich. Auf einer Karte markierten die beiden jungen Männer Fluchtwege aus Deutschland und diskutierten ihre Optionen, aus Nazideutschland zu entkommen. Nach einer Weile waren sie gezwungen, ihre Bleibe zu verlassen und fanden über Helfersnetzwerke Quartier bei einer Frau Lange. Sie teilten sich dort eine kleine Kammer mit einem ebenso kleinem Bett.

Aufgeflogen
Obwohl Cioma Schönhaus ihnen als versierter Dokumentenfälscher Wehrpässe angefertigt hatte, waren sie gezwungen, die Kammer aufzugeben, denn Cioma Schönhaus wurde bereits steckbrieflich gesucht und musste aus Berlin fliehen. Leider bricht der Bericht über Siegbert Kasriel an diese Stelle ab, so dass unbekannt bleibt, was in der Zwischenzeit mit ihm geschah. Wir wissen nicht, ob Siegbert Kasriel denunziert wurde oder ob seine Papiere bei einer Kontrolle der Prüfung nicht standhielten. Siegbert Kasriel wurde aber offenbar gefasst, denn am 07. Dezember 1943 wurde er im „47. Transport“ nach Auschwitz deportiert, wo er – wie seine Mutter und Schwester ein halbes Jahr zuvor – ermordet wurde.

Im Holocaust wurden 6 Millionen europäische Juden ermordet. Hinter dieser unerfassbaren Zahl steckt keine graue Masse, sondern einzelne Menschen mit Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden. Jedes Opfer dieses Völkermords hatte ein individuelles Schicksal und damit verbundenes Leid.

Genau das tun die Stolpersteine. Sie machen aus einer großen Zahl einzelne Menschen mit verschiedenen Geschichten und tragen sie in die Öffentlichkeit. So leisten Sie einen Beitrag dazu, dass die NS-Verbrechen nicht in ausdruckslose Geschichtsschreibung abrutschen, sondern ihr Ausmaß vorstellbar wird.

Um die Menschen hinter den Stolpersteinen zu würdigen, putzen viele Menschen diese jedes Jahr am 9. November, dem Tag der Reichspogromnacht. Auch die Courage-AG ist im Kiez umhergezogen und hat Stolpersteine geputzt sowie Blumen und Kerzen niedergelegt.

Am 27.1. kannst du aktiv werden: Auch dann – am internationalen Holocaust-Gedenktag – kannst du die Stolpersteine deiner Straße putzen. Bewaffne dich einfach mit einem alten Lappen und misch dir ein Messing-Putzmittel: Bei uns ging der Dreck am besten mit einer Mischung aus Wasser, Essig und Salz weg.